Erstattungskodex EKO und Umfeld


Die Veranstaltung

Diese Woche habe ich einiges gelernt im Hinblick auf Erstattungskodex und seine Beziehung zu seltenen Erkrankungen. Anlass war ein großes hybrides Treffen von ProRare-Mitgliedern und leitenden ChefärztInnen. Richtige Agenda und vorbereitendes Briefing hat es nicht gegeben oder hab ich versäumt, darum bin ich recht erwartungsoffen in die Veranstaltung gewackelt.

Von organisatorischer Seite wurden 2 Stunden mit pünktlichem Schluss mit drei Vorträgen und ein wenig Platz für Wortmeldungen, Fragen und Diskussion gefüllt. Die Vorträge wurden online via Webex gehalten und ich hab nur die hälfte der Worte verstanden. Die Kombination aus schlechter Tonqualität und verschwollenen Speicheldrüsen ist echt einschränkend. Dass zeitweise keine Folien angezeigt werden konnten, war auch nicht hilfreich.

Eingangs wurden wir mit den Verschreibungs-Kategorien von Medikamenten mit dem bunten Boxensystem [1] vertraut gemacht. Wir wurden auf die App (für Apple und Android) EKO2go hingewiesen.
Das Online-Tool ist auch auf der Homepage der SV verfügbar: Infotool zum Erstattungskodex [2].
Natürlich wurden wir auch darauf hingewiesen, wann wir ausschließlich der Solidargemeinschaft durch Medikamentenkosten zur Last fallen dürfen - die Behandlung muss zweckmäßig und ausreichend sein [3].

Den Reha-Diskussionsteil haben Online-Gruppe und Präsenzsaal zeitweise getrennt verbracht. Was ich mir daraus mitgenommen habe, ist, dass es keine weitergehende Spezialisierung bei den Rehas für Seltene gibt, weil so viele Interessensgruppen beteiligt sind und die Organisation so schwer wäre.

Mein Erlebnis

Ich habe mittlerweile schon etliche Zeit als Patientenvertreter verbracht und ich kann nicht so genau beschreiben, warum ich es immer noch mache. Oder warum ich zu einzelnen Veranstaltungen gehe. Letztendlich nehme ich mir doch immer etwas mit - etwas, das ich bis dahin nicht wußte oder einfach nicht wahrhaben wollte. Aber auch ab und zu etwas zum Schmunzeln.

Wie zum Beispiel die Antwort auf die Frage, ob es andere Wege der chefärztlichen Bewilligung geben wird, wenn mit Jahresende der FAX-Service eingestellt wird. Offiziell sei dieser Service bereits 2008 eingestellt worden, habe ich erfahren, und wir wären in der Nachfrist der Nach-Nachfrist.
Ich habe erfahren, dass es zwei Kompetenzgruppen für SE bei der Kasse (ÖGK?) gäbe - eine in Wien und eine in Graz. Warum zwei, das hat sich mir nicht erschlossen. Und es war bei dieser Veranstaltung für Seltene offenbar kein Vertreter dieser Kompetenzgruppe anwesend.

Auch hat sich der Eindruck bei mir verfestigt, dass Medikamente für SE in der Ärzterunde als Synonym für hochpreisig gelten und dass sie die Darstellung verteitigen, dass in der aktuellen Runde des Bewertungsboards für hochpreisige Medikamente nur lauter Fachexperten säßen. Es scheint so, als wären alle diesbezüglichen Diskussionen des letzten Jahres spurlos vorbeigegangen.

Eigentlich wollte ich ja diskutieren, wie wir mit dem Großteil der SE-Patienten ohne zugelassene Medikamente zu einer effizienten und patientengerechten Vorgangsweise kommen. Auch diese Patienten werden zum Großteil therapiert, allerdings off label, mit Medikamenten, die für eine ganz andere Erkrankung zugelassen wurden. Dafür fand sich leider keine Lücke im engen Zeitplan, aber ich hab trotzdem einges gelernt.

Im EKO2go finde ich die Medikamente, die für irgendeine Indikation verschrieben werden können. In den Informationen dazu steht, für welche Diagnose und mit welchen Vorbedingungen bzw. Vorbehandlungen.
Ein Beispiel: Ich habe diese Woche neu Quensyl verschrieben bekommen. Quensyl ist ein Standardmedikament bei Lupus und Sjögren und steht auch bei meiner Erkrankung als Zweitlinientherapie in der internationalen Leitlinie. Im EKO2go taucht es aber nicht auf, das in einer Spezialambulanz ausgestellte Rezept bedarf also einer chefärztlichen Bewilligung. Und kriegt die auch zeitnah. Bei täglichen Medikamentenkosten von wenigen 10 Cent pro Tag ein fulminanter Aufwand - vor allem auf der Seite des Verschreibers. Und der Patient sitzt und wartet natürlich auch ein Vielfaches länger, als diese Kosten ungerechnet auch auf seine Arbeitszeit ausmachen würden. Im Geiste der Veranstaltung würde ich jetzt abschließend zusammenfassen, dass das ein Einzelfall wäre und über Einzelfälle hätte man dort eh nicht reden wollen.

Eigentlich wollte ich ja diskutieren, wie die Einschätzungen unserer Überärzte zustande kommen und was wir zur Verbesserung tun können. Das angesprochene Regelwerk zur Erlaubnis einer Verschreibung - die Info aus dem EKO2go - gibt es bei off label Verschreibung (dort) nicht. Und wie mir erzählt wird, sind die Argumentationshürden für verschreibende Spezialisten so hoch, dass diese einfach in ihrer Arbeitszeit nicht so viele detailierte Anträge auf Refundierung stellen können, wie es eigentlich vernünftig, angezeigt und notwendig wäre, im notwendigen Interesse der Patienten - weil noch zu viele andere Patienten vor der Tür warten. Damit kommen wahrscheinlich schlicht etliche Patienten nicht zur der für sie passenden Therapie, weil die administrativen Hürden zu groß sind.

Ich wollte auch diskutieren, wie wir eine Stufe in der seit vielen Jahren üblichen Therapieeskalation überspringen können, um die bleibenden Nebenwirkungsschäden der äußerst kostengünstigen Medikation (wenn man nur das Medikament und nicht alle Folgeerkrankungen mitrechnet) zu vermeiden. Mittlerweile gibt es nicht nur die Expertenmeinungen, sondern auch eine Studie dazu. Medikamentenzulassung aus meinem off label Therapiebereich wird es keine geben, das wäre nur nutzloser Aufwand für den bzw. die Hersteller. Und um es klarzustellen: ich schreib jetzt über Medikamentenkosten im 10-Cent oder einige Euro pro Tag - Bereich bei der Drittlinientherapie.

Ich bin von der Veranstaltung weggegangen mit dem Gefühl einer Zeitreise von einem Ort, an dem eineinhalb Jahrzehnte Werben für die besonderen Situationen der Seltenen spurlos vorbeigegangen zu sein scheint. Das FAX-Zeitalter passt da noch ganz gut und ich habe nicht den Eindruck, dass sich schnell etwas daran ändern wird. Systemische Verbesserungsanregungen wurden mit dem Hinweis gekontert, man möge doch damit zum Minister gehen, weil man sich an die Gesetzeslage halten müsse [3], wo eher Vielen in der Zuhörerschaft klar ist, wo die eigentliche Macht bzw. Ohnmacht in unserem Gesundheitssystem verortet ist. Die Bemerkung im Gehen, dass wir über die milde Gabe von off label Medikamenten der Solidargemeinschaft dankbar sein sollten und dass wir eigentlich überhaupt keinen Anspruch darauf haben ... ich bin normaler Weise in einer anderen Bubble unterwegs. In einer, die schon solidarisch in diesem Jahrtausend angekommen ist und in der man nicht auf fürstliche Almosen angewiesen ist.

War das jetzt nur mein Eindruck oder mein Falschverständnis, weil ich nur die Hälfte verstanden hab?
Ich empfehle die Nachschau von im Zentrum zum Thema "Warten, zahlen, verzweifeln - wie lösen wir die Gesundheitskrise?" [4]

Mein Resumee: wir brauchen Transparenz in all policies, damit wir drüber reden können und nicht in Einzelfalldiskussionen separiert werden.
Und es braucht einen eigenen Diskussionsstrang, wie wir mit der Bewertung von off label weitermachen, um dem Patienten die zweckmäßige Therapie zukommen zu lassen, ohne an selbst auferlegten organisatorischen Hürden zu scheitern.

Weiterführende Links
  1. PK_AGES_FOPI_FAQ-Boxensystem.pdf (FOPI, 2020)
  2. Infos zum Erstattungskodex (SV) und Infotool zum Erstattungskodex (bei Suchproblemen die Seite vor einer Suche jeweils neu laden)
  3. Recht auf Behandlung (Jusline)
    (2) Die Krankenbehandlung muß ausreichend und zweckmäßig sein, sie darf jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Durch die Krankenbehandlung sollen die Gesundheit, die Arbeitsfähigkeit und die Fähigkeit, für die lebenswichtigen persönlichen Bedürfnisse zu sorgen, nach Möglichkeit wiederhergestellt, gefestigt oder gebessert werden.
  4. Warten, zahlen, verzweifeln - wie lösen wir die Gesundheitskrise? (Im Zentrum vom 1.12.2024)
(Letzte Änderung: 2024-12-01)