Nacharbeit zur ÖKUSS-Veranstaltung vom 20. Mai 2022 zu Patientenbeteiligung

Patientenbeteiligung durch Selbsthilfeorganisationen

Ende Mai fand eine ÖKUSS-Veranstaltung zum Thema Patientenbeteiligung durch Selbsthilfeorganisationen statt und ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich schlecht vorbereitet war. Im Wesentlichen ging es um eine Besprechung der Ergebnisse der Interessensvertreter-Interviews zu obigem Thema aus dem letzten Jahr. Ich hätte mir das entsprechende Dokument Gremienerfahrung (Rojatz, 2021 oder 2022?) besser aufbereiten sollen, um unklare Begrifflichkeiten besser im Auditorium zur Sprache bringen zu können. Aber ich versuch eine schriftliche Aufarbeitung einiger Details zumindest jetzt hinterher, damit ich mich auch morgen noch daran erinnern kann.
Darauf muss ich ganz explizit hinweisen: das hier ist keine Zusammenfassung der Gesprächsrunde, sondern meine persönliche Meinung konsolidiert eine Woche nach dem Gespräch.

Selbsthilfe vs. Bürger- und Patientenbeteiligung

Warum? Hier ist sie, die Frage nach der Wurzel des Übels: Warum braucht es welche Beteiligung, und wenn ja, wieviele?
Angeblich waren sich alle befragten Interessenverteter mehr oder weniger einig, dass Beteiligung gut wäre. Ob es daran liegt, dass allen bewußt gewesen ist, dass Österreich wieder einmal als Schlußlicht bei internationalen Standards brilliert, indem die österreichische Politik die entsprechende Europanorm auch nach 22 Jahren (siehe NANES netzwerk INFO 2019/4) noch nicht umgesetzt hat. Oder ob es daran liegt, dass es zu viele offensichtliche Mißstände gibt, für die keine Abhilfe in Sicht ist und man deshalb zur Beschwichtigung der Klientel und zur Beruhigung des eigenen Gewissens die Kranken ins Feld (oder in die Wüste?) schickt - ich weiß es nicht.
[siehe auch Endbericht Health Literacy erhöhen]

Für mich ist Bürgerbeteiligung bei allen öffentlichen Vorgängen ein Grundpfeiler demokratischer Kultur, sie ist eine unverzichtbare Notwendigkeit für eine funktionierende, solidarische Gesellschaft. Es soll nicht nur eine Beteiligung der Schönen und Reichen und der selbsternannten Vorausdenker geben, auch der Pöbel hat ein Recht auf Beteiligung.
Man muss sich deshalb genau überlegen, mit welcher Begründung und an welcher Stelle man die Beteiligung einzelner Bürgergruppen stärker fördert als andere, weil alle haben gleiches Recht auf Beteiligung, nicht nur die mit einer speziellen Erkrankung.

Die allgemeine, für uns alle verfügbare Beteiligung besteht in der Teilnahme an (politischen) Wahlen.

Die Beteiligung in Gremien zu medizinischen Themen, um die es hier speziell geht, ist schon differenzierter zu sehen, weil Gremien in der Regel einen spezifischen Handlungsauftrag haben, zu dem alle Beteiligten spezielle Expertise einzubringen haben. Und das bringt mich gleich zum letzten Herbst publizierten Leitfaden für Gremienverantwortliche. Anfangs hab ich mich über die Frage daraus, ob/wo man Patienten zu medizinischen Themen beteiligen solle, echauffiert, weil ich der fixen Überzeugung von "Beteiligung in all polcies" bin. Mittlerweile habe ich gelernt, dass die Frage eher unglücklich formuliert ist und heißen sollte, welche Art von Vertreter man beteiligen sollte: Ist ein Erfahrungsexperte gefragt, dessen Expertise aus dem Leben mit der eigenen, speziellen Erkrankung und den Erfahrungen aus seinem SH-Umfeld besteht oder besteht der Bedarf nach einer verallgemeinerten Perspektive?
Im ersten Fall würde ich von SH-Vertreter:innen sprechen, im zweiten Fall von Patientenvertreter:innen.
In der Veranstaltung sind wir mit Grund auch wiederholt aufgefordert/ermutigt/hingewiesen worden, mit einer Stimme zu sprechen - ein eindeutiges Plädoyer für eine über die individuelle SH-Erfahrung hinausgehende Perspektive.

Woran soll beteiligt werden?

Diese Frage beantworte ich einfach (siehe oben): überall. Beteiligung ist aber nicht gleich Beteiligung. Die Voraussetzung für die beteiligende Anteilnahme, nämlich Transparenz nach außen, muss es aber in allen Belangen der öffentlichen Verwaltung geben.

Woran soll nicht beteiligt werden?

Wo das Fachwissen der SH überschritten wird, ist irgendwo - entweder im Vortrag oder in der Diskussion - aufgetaucht. Woraus ich den Schluss ziehe, dass je besser geschult, desto höherwertige und weitreichendere Beteiligung ist möglich.

Wer soll und wer soll nicht beteiligt werden?

Die Frage ist schwer zu beantworten, wenn man inklusiv sein will und nicht nur als Selbstdarsteller spricht.
Gefragt wird immer wieder nach der demokratischen Legitimation. Die Motivation zur Frage ist verständlich. Von einer SHO mit gewähltem Vorstand entsendet zu werden, ist dabei aber zu wenig, wenn man sich überlegt, wieviele Mitglieder aus dem jeweiligen Erkrankungsbild hier typischer Weise organisiert sind. Vor etlichen Jahren hab ich mal versucht zu Schätzen und bin zum ernüchternden Ergebnis gekommen, dass in normalen SHOs rund 3% der Betroffenen organisiert sind, in Organisationen von Seltenen rund 6%. Und ich habe keinen Grund anzunehmen, dass diese Zahlen heute grundlegend anders wären. Als Patientenverter:in auf seine demokratische Legitimation zu pochen, wäre darum offensichtlich naiv und unangebracht.
Man würde damit aber in einer ähnlichen Legitimations-Liga spielen wie NANES, der österreichische Zusammenschluss der SH-Dachverbände Kärnten, Steiermark und Vorarlberg ...

Betroffen sein als notwendige Kompetenz wird auch oft angeführt. Auch dieses Kriterium ist bei näherer Betrachtung nicht leicht zu argumentieren. Während es für uns alle selbstverständlich ist, dass Angehörige Vertreter für ihre Kinder sein dürfen, ist die Frage, wer "Angehöriger" ist, nicht leicht erschöpfend zu beantworten. Muss ein Angehöriger ein Blutsverwandter sein, reicht ein gemeinsamer Haushalt oder auch nur eine Bekanntschaft?
Oder reicht Nähe und Engagement? Sollte die Hauskrankenpflege berechtigt sein, im Interesse ihrer Klientel zu wirken? Sollte die Caritas im Interesse ihrer Klientel vertreten dürfen? Darf man sein aus der eigenen Betroffenheit entspringendes Mandat delegieren - z.B. an einen Geschäftsführer des Vereins?

Meine persönliche Sichtweise zielt aktuell darauf ab zu bewerten, was Patientenvertreter:innen tun und nicht darauf zu schauen, woher sie kommen und wie schön sie sind. Ich bin da ganz bei Gusteau aus dem Animationsfilm Ratatouille, der übertragen meint, nicht jeder Patient wäre ein guter Patientenvertreter, aber gute Patientenvertreter gäbe es (von) überall.
Eine für mich überraschend gute Bewertung bekommen die beiden Patientenanwälte aus Wien und NÖ - Pilz und Bachinger - und ich sehen keine argumentierbare Begründung, warum nicht auch sie Patientenanliegen vertreten sollten.

Ein spezielles Thema sind Interessenskonflikte unterschiedlicher Art, finanziell speziell bei den Dachverbänden. Bedenkt man, dass die Landes-Dachverbände aus dem gleichen Topf finanziert werden wie die Landeskliniken, könnte man leicht zum Schluß kommen, dass sowohl bei der Interessenvertretung von Patienten gegenüber dem Land als auch bei Tätigkeiten wie der Zertifizierung von SH-freundlichen Krankenhäusern Interessenskonflikte bestehen könnten, die nur durch ein Maximum an Transparenz ausgeräumt werden könnten.
Ähnliches gilt natürlich auch für ÖKUSS. Wenn ich es richtig verstanden hab, wird aus Sicht der öffentlichen Geldgeber ÖKUSS der Selbsthilfe zugeordnet (siehe auch 1 Million für die Selbsthilfe). Die Grenze zwischen Wes Brot ich ess, des Lied ich sing und Unterstützung von Patienteninteressen kann auch hier nur durch Transparenz und Taten belegt werden, weil Interessenskonflikte beinhalten potentiell weit mehr als nur den Umgang mit Sponsoring.

Patientenbeteiligung bedeutet nicht automatisch Transparenz

Eines meiner Aha-Erlebnisse hatte ich zum Thema Transparenz. Und zwar wurde der Begriff "Transparenz" als Beschreibung für Abläufe innerhalb eines Gremiums verstanden (was für mich Teil der Geschäftsordnung ist) und nicht als Transparenz, womit gemeinhin Transparenz nach außen für die Allgemeinheit verstanden wird. Offenbar braucht es auch hier eine Begriffsschärfung.
Und es braucht ein Maximum an Transparenz in all policies, um Beteiligung zu ermöglichen, welche über die berüchtigte Feigenblattfunktion hinausgeht. Und nicht nur in einzelnen Gremien, sondern in allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung, auch speziell bei der Zielsteuerung. Patientenanwalt Gerald Bachinger hat bei der Präsentation des Gesundheitsjahrbuchs 2016 ein eindringliches Video-Interview dazu gegeben (Gesundheitsjahrbücher zum Nachschlagen: 2021 bzw. ältere Ausgaben (Links auf der Service-Seite gehen grad nicht, hab schon urgiert))).
Zur Transparenzdiskussion siehe auch die weiterführenden Links ganz unten.

Gefahren von Patientenbeteiligung

Wie von uns aktuell gelebt, gibt es eine große Gefahr rund um (Patienten-)Beteiligung, die unter dem Begriff elite capture bekannt ist. Der Verbrechensablauf dazu ist recht einfach: Ein intransparentes Gremium (ohne Transparenz nach außen) verpflichtet zu Stillschweigen über im Gremium besprochene Themen. Der Zivilgesellschaft abseits des Gremiumbeteiligten werden nicht nur alle Informationen zum Diskussionsgegenstand vorenthalten, der Zivilgesellschaft kommt auch der ambitionierte Vertreter im Gremium für Interessensvertretung außerhalb des Gremiums abhanden, weil er sich ja zum Thema zu Stillschweigen verpflichtet hat.
Die Steigerungsform ist ein Gremium, das augenzwinkernd eine vertrauliche Weitergabe von Informationen im engeren Vertrautenkreis der Beteiligten duldet oder sogar dazu ermutigt - frei nach dem Motto, ein bisserl was und das Anfüttern einer Informationselite geht immer.
Ein Problembereich sind auch elitäre Gesundheitstage, die für das Fußvolk unter den Patientenvertretern kaum leistbar sind, zu denen aber unter dem Motto alle wichtigen Stakeholder sind dabei ohne zivile Teilhabe genetzwerkt wird. Wobei - das war auch ein wichtiger Punkt bei Befragungen aus den letzten Jahren, der Stellenwert und die Notwendigkeit von Netzwerken als materialisierte Antithese zu Transparenz. Intime Netzwerke sind die Totengräber von Transparenz.

Eine Gefahr von zu enger Beteiligung ist auch, dass wir unsere Ziele nicht fortlaufend formulieren oder aus den Augen verlieren. Auch wir Patientenvertreter wollen einen deklarierten und kompetenten Anlaufpunkt für unsere Anliegen im Gesundheitswesen und nicht ein monatliches Hütchenspiel. Und wir sollten uns auch regelmäßig in Erinnerung rufen, dass die ganzen Gremien und Organisationsgruppen für uns arbeiten sollten, dass wir die Auftraggeber und die Geldgeber sind (das kann man zumindest mit der gleichen Berechtigungsstärke behaupten wie unsere demokratische Legitimation).

Beteiligung braucht ein kompetentes Gegenüber

Der Großteil von uns Patientenvertretern tritt mit der Notwendigkeit und dem deklarierten Auftrag an, irgendein Qualitätsmerkmal in unserer Gesundheitsversorgung zu verbessern. Und dann steht uns eine Vertreter:in des Gesundheitssystem gegenüber und meint, Österreich hätte eh eines der besten Gesundheitssysteme auf der Welt - oder wär jemand anderer Meinung?
An dieser Stelle des schon öfter durchlebten deja vus streift zuerst mein Blick umher um nach versteckten Kameras zu forschen. Dann folgen einige stille Sekunden, in denen ich versuche, das Gehörte noch einmal Revue passieren zu lassen, ob ich mich nicht irgendwo verhört habe. Und dann beginne ich die Checkliste durchzuarbeiten: Will mich mein Gegenüber auf den Arm nehmen? Glaubt mein Gegenüber wirklich naiver Weise, was da gerade zwischen den Lippen hervorgebrochen ist? Weiß mein Gegenüber über die wirkliche Lage gut Bescheid, verkauft mich aber aus irgendwelchen Gründen für dumm?
Meistens werd ich mir nicht klar darüber, wo auf meiner Checkliste ich den Tick machen soll. Aber ich frag mich dann immer, wie es den anderen Zuhörern gerade geht? Praktisch alle sind wegen irgendwelcher systemischer Mängel da, Keine oder Keiner ist da, weil die Wohnung daheim kalt und feucht ist. Und dann dieses Gegenüber an geballter ... Kompetenz. Hab ich schon geschrieben, dass Frustration der eigenen Gesundheit abträglich ist?

Diese Situation ist ähnlich schlimm wie der qualifizierte Rat Ja, wenn sie gesundheitliche Probleme haben, da müssen sie ja zu einem Arzt gehen!, nachdem man als Patientenvertreter:in minutenlang versucht hat darzulegen, dass es für Patienten mit speziellen Problemlagen mehr als die Kompetenz und die Betreuungszeit eines durchschnittlichen Hausarztes bedarf. In diesen Situationen ist es schwer zu schätzen, auf welcher Höhe sich die Augenhöhe gerade befindet, ob man da nicht gerade auf Hühneraugenhöhe agiert.

Wer ist zuständig

Eines unserer großen Probleme ist unser opulentes Gesundheitssstem. Österreich hat die Größe Bayerns und leistet sich 10 verschiedene Gesetzgebungen zum Gesundheitswesen. Wollen wir als Patientenvertreter:innen etwas erreichen, dann müssen wir uns mit den unterschiedlichen Gesetzgebungen in 9 Bundesländern auseinander setzen, dazu kommen noch Bund und immer noch mehrere Kassen. Es reicht mir wirklich, dieses offenbar nicht wirklich reformierbare System, es frisst meine Lebenszeit auf.
Vor nahezu 20 Jahren hat unser Peppe Probst getrommelt, es wäre endlich Zeit, einige grundlegende Reformen für unser Gesundheitssystem anzugehen (z.B. hier: Heilung für ein krankes System, 2005). Draus geworden ist nur ein Gesundheitsreförmchen: Der Best Point of Service fristet immer noch ein Hütchen-Spiel-Dasein (obwohl: das ist potentiell die beste in den 15a-Verträgen verankerte Handhabe für uns, um Veränderungen zu bewirken), die Zielsteuerungsverhandlungen scheinen intransparentes Gerangel um Geld und Macht wie eh und je. Noch nie war ein Transparenz-Volkbegehren so notwendig wie heute ...

Ich kann mich nicht mehr erinnern an welcher Stelle sie war, die Bemerkung, man könne nichts machen, weil das Gesetz gerade so wäre. Ich weiß schon wieder - es war beim Leistungsumfang der Gesundenuntersuchung.
Die einfache Schlussfolgerung daraus ist, dass die meiste unserer Arbeit wohl eine Politische sein muss, um im Interesse der von uns Vertretenen Veränderungen und Verbesserungen zu erreichen. Womit ich wieder bei Transparenz und Zielsteuerung angelangt wäre.

Der Amtsschimmel wiehert qualitätsbefreit auf der politischen Spielwiese

Es gibt Situationen, bei denen Lösungen sehr wahrscheinlich am politischen Unwillen scheitern - z.B. rund um die Enzymersatztherapien. Weil die Medikamente teuer sind, werden Patienten menschenverachtend als Spielball zwischen intra- und extramuralem Bereich hin und hergeschoben. Manche Patienten wechseln das Bundesland, um an eine wohnortnahe Versorgung zu kommen. Für Andere aus den Bundesländern bleibt nur das Pendeln ins Wiener AKH (an dieser Stelle ein Hoch auf Wien), um überhaupt an eine Therapie zu kommen. Es scheitert nicht am gemeinsamen Eintreten von Patientenvertretung und den spezialisierten Ärzten (Petition SE (2008), News-letter Expertisenetze 2020-3/4 und folgende) - sondern nur an der Umsetzung, die wahrscheinlich in der intransparenten Zielsteuerung verendet.
Als Außenstehender kann man nur mutmaßen, warum dieser Problembereich bei uns zum Schaden der Patienten entgegen dem internationalen Standard bisher nicht bereinigt worden ist. Wohlgemerkt - wir reden hierbei nicht von akut aufgetretenen Problemen, sondern von einem jahrzehnt(e)langen Zustand, der halt alle paar Jahre anders aufpoppt (aktuell z.B. mit der EET-Heimtherapie). Man kann und sollte darüber sinnieren, ob dieser unwürdige Zustand aufgrund von Unwilligkeit der Verantwortlichen, aufgrund von Unfähigkeit, wegen Boshaftigkeit der Beteiligten, deren Ideologie oder wegen systemischen Unzulänglichkeiten weiterhin besteht.

Qualitätsentwicklung wird dadurch unmöglich gemacht, dass kaum Qualitätskennzahlen erfasst werden. Falls doch, können diese meist nur zum innerösterreichischen Vergleich verwendet. Beim Vergleich mit internationalen Standards müsste man vielleicht etliche Einrichtungen wegen Gefahr für Patienten im Verzug schließen.

Es gibt vieles - aber kaum etwas, das so lange dauert, wie Änderungen in unserem Gesundheitssystem. Kolportiert wurden 30 Jahre, bis die Harmonisierung der Leistungskataloge vollständig abgeschlossen sein wird.
Erinnern wir uns an die Zusammenlegung der Kassen: Keine Leistungen sollten sich verschlechtern, durch die Synergien sollte eine Milliarde bis 2023 eingespart werden, versprachen die Systemvertreter (siehe z.B. Sozialministerium, Kleine Zeitung, MedMedia, APA). Über eine Harmonisierung der Leistungskataloge nach oben wird sich kaum jemand beschweren, man denkt an eine simple Indexanpassung, die in einem normalen Unternehmen mit dieser Personalstärke kaum länger als ein paar Wochen dauern sollte. Doch offenbar weit gefehlt.
Auch an dieser Stelle muss man sich überlegen: Geschützte Werkstätte, Unwilligkeit, Unvermögen, Wurschtigkeit, Boshaftigkeit, Systemfehler, ... was wäre weniger schlimm und was können wir als Bezahler tun, um unsere Kassen in einen patientenfreundlichen Betriebszustand überzuführen?

Meine Vision zur Patientenbeteiligung

Trübe und frustran. Es scheinen nur wenige Patientenvertreter:innen zu sein, die nicht nur sich selber vertreten wollen, sondern auch Lebenszeit und Aufwand in etwas Größeres zu stecken bereit sind. Und auch dazu in der Lage sind, speziell wenn es sich um selbst erkrankte Personen handelt. Einige gemeinsame Artikulationen wie die Kernforderungen an die neue Bundesregierung zur Stärkung der Selbsthilfe in Österreich (2019-12-09) verhallten bisher recht wirkungslos.
Lernen aus der Geschichte: Es scheint auch so, als würden wir die letzten 20 Jahre Geschichte unserer Selbsthilfe ignorieren (einen kurzen, historischen Abriß gibt es auf Seite 2 des NANES Jahresberichts 2017). Vielleicht sollten wir auch einmal ein wenig Zeit investieren, um aus unseren bisherigen, gescheiterten Lösungsversuchen zu lernen - die Geschichte der ARGE Selbsthilfe und die Geschichten drumherum sind durchaus spannend und lehrreich.
Lernen vom Nachbarn: Unsere Lieblingsnachbarn haben uns zumindest 2 Jahrzehnte Patientenbeteiligung voraus und wir wären gut beraten, aus ihren Erfahrungen zu lernen - z.B. dass es gut ausgebildete Patientenvertreter braucht und dass diese von Patientenverbänden gemeinschaftlich und einstimmig entsendet werden müssen.
Zu wohlformulierten, gemeinsamen Zielen DER Selbsthilfe abseits von Anektoten wird es wohl noch einige Zeit brauchen. Ich finde das aber ausnahmsweise gar nicht so schlimm, weil eine wichtige Voraussetzung für Beteiligung, nämlich Transparenz, noch lange nicht in Sicht ist. Vielleicht hilft ein kollektives Eintreten für maximale Transparenz und die danach im Lauf der Zeit zu Tage tretenden Grauslichkeiten zu einem gemeinsamen, solidarischen Auftreten. Dann hätte die aktuelle Intransparenz auch etwas Positives.
Schlimmer finde ich hingegen, dass wir immer noch nicht nachhaltig und als Multiplikatoren tätig sind, weil wir das in der Hand hätten. Man muss schon fragen, warum als relevant eingestufte Fortbildungen nicht als Videokonserve aufgehoben werden.
Da ist auch noch einiges zu tun, packen wir's an.


(Letzte Änderung: 2022-05-29)



Weitere Links und Nachträge:
  1. Transparenz im Gesundheitswesen (TI-Austria, 2022)
  2. Dossier Podcast
  3. Podiumsdiskussion Krankhaft intransparent - Rechercheplattform Dossier und Transparency International Austria zu Transparenzmängeln in österreichs Gesundheitssystem (Video, 2022-03-30)
  4. Zum Nachschauen: Vienna Health Talks, z.B. 400.000 Betroffene vom 28.2.2022:
    Bei der Podiumsdiskussion kamen Vertreter:innen aus Politik, Gesundheitswesen und gemeinnützigen Organisationen zusammen, um darüber zu diskutieren, wo Handlungsbedarf besteht ...