logo: erdstrahlenfrei 2016-11-27

PARS3 - Nachbesprechung

Die dritte PARS-Schulung zum Thema System ist vorbei und ich habe aus dieser und den vorangegangenen Schulungen viel gelernt. Ich habe nicht nur Wissen gesammelt, sondern vielmehr hat sich meine Perspektive ein wenig verschoben, meine Horizont um einige Facetten erweitert. Und ich möchte nicht, dass die Eindrücke bald wie eine schwindende Erinnerung verblassen, ich möchte einige Ideen am Leben erhalten und sie als meine Diskussionsgrundlage weiter hegen und pflegen.

Inhalt:

  1. Mit einer Stimme
  2. Menschen im Mittelpunkt
  3. Professionalität
  4. Kleine Spirometrie in die Vorsorge


Mit einer Stimme

Eine der Kernbotschaften war, als Patientenvertreter mit einer Stimme aufzutreten, nach außen hin eine klar definierte Ansprechstelle zu bieten. Verständlich ein Wunschtraum für jeden, der mit einer beliebigen Art von Bürgervertretung zu tun hat.
Und unendlich schwer für Patienten zu realisieren. Während die Pflichtmitgliedschaft bei der Ärztekammer (mit einer relativ homogenen Klientel und wenigen, klaren Statuten) zwar zu nur einem Dutzend Vertretern nach außen führt, ist diese eine Stimme für Patienten für mich nur schwer in Gedanken realisierbar, ohne dabei sofort auch Verlierer bei Randgruppen und Seltenen ausmachen zu können - ein Diktat der Mehrheit im Gegensatz zum Solidargedanken, kaum aufzulösen.

Und umgekehrt: ist denn überhaupt das Gegenüber der Patientenvertretung in der Lage, kompetent mit einer Stimme zu sprechen oder gibt es eher ein Bild von unüberschaubaren Zuständigkeiten, zahllosen Akteuren und viel zu vielen Playern?

Menschen im Mittelpunkt

Die größte Schwierigkeit, die ich dabei auf Patientenseite ausmache, ist die fehlende Diskussion von gesellschaftlichen Werten im Gegensatz zur allgemein propagierten Selbstoptimierung. Der egozentrische Slogan "Der Patient im Mittelpunkt" wird uns Patienten ebenso selbstverständlich untergejubelt wie Förderungen von agilen Patientengruppierungen (Organisationen, SH-Gruppen), wodurch nicht so fitte Gruppen umso mehr auf der Strecke bleiben. Und wir brauchen die Diskussion über Werte und Solidarität. Wir brauchen - als Extrembeispiel - die Diskussion darüber, wieviel es uns Wert ist, ein weiteres schlechtes Jahr am absehbaren Lebensende mit hohen Kosten zu erkaufen, wenn man gleichzeitig an anderer Stelle um wenige Euros einen defacto Blinden für viele gute Lebensjahre wieder sehend machen könnte.
Alle SH-Vertreter auf der Jagd nach Unterstützung fischen im selben Teich und es braucht einen Konsens für eine Quotenregelung, die "alle Menschen in den Mittelpunkt" stellt, weil sonst die mit den kleinen Netzen durch die Maschen schauen.

Und wir brauchen in der Selbsthilfe klare Strukturen. Während wahrscheinlich viele Behördenvertreter die SH-Landesdachverbände als Sprachrohr der jeweiligen Mitglieds-Gruppen betrachen (z.B. Otto Rafetseder bei der 3. Wiener SH-Konferenz), sehen die Dachverbände das eher nicht so (z.B. die anwesenden Dachverbandsvertreter bei Workshop SH-freundliches Krankenhaus der ONGKG 2015).

Und wir brauchen Lösungen, keine Regeln. Manchmal kommt es mir echt unheimlich vor, welche Offenbarungen man in den allgemeinen Sprachgebrauch interpretieren könnte. Es werden in der facheinschlägigen Literatur oft die Player im Gesundheitsbereich als Stakeholder erwähnt. Da steckt viel Wahrheit darin. Ganz viele dieser Player scheinen sich an Regeln zu halten ohne ein konkretes, zu erreichendes Ziel zu formulieren. Ganz viele Spieler mit recht unterschiedlichen, selbsterstellten Regeln. Spielen mit den Regeln, ohne ein Ziel erreichen zu wollen.

Der Gegensatz zum Spieler ist für mich der zielorientierte Arbeiter, dem ein konkretes zu erreichendes Arbeitsziel vorgegeben wird, und der versucht im Rahmen der gültigen Regeln dieses Ziel auch zu erreichen.
Patienten, die sich wegen ihrer Probleme in Gruppen organisieren, haben ganz konkret formulierbare Probleme. Diese zu mildern sollte der Auftrag an unsere Gesundheitssystem-Dienstleister sein, nicht das Überhäufen der Patienten mit Regeln, die weder mit dem Problem noch der Lebenswelt der Patienten unmittelbar zu tun haben und die im wesentlichen nur durch die Spieler selbst kreiert werden.

Professionalität

Von Patientenvertretungen wird in letzter Zeit oft Professionalität und eine Stimme gefordert. Berechtig.
Aber wie schaut das auf der öffentlichen Seite aus?
Wie professionell und wie klar ist das Auftreten z.B. von Systemvertreterseite?

Im letzten PARS-Modul haben wir auch über das Konzeptpapier "Das Team rund um den Hausarzt" gesprochen. Auch weil ich noch nie in das Konzept reingeschat habe ein naheliegender Aufhänger, den professionellen Webauftritt des "Systems" ein wenig genauer unter die Lupe zu nehmen.
Die offiziellen Seiten des BMfG sind mittlerweile schon etliche, ich hab vor Jahren schon mal eine kleine Übersicht Webseiten - Öffentliche Hand versucht.

Mit dem Wissen um den Broschüren-Service und der Jahreszahl ist es ein Leichtes zu sehen, dass es dort nicht zu finden gibt. Aber den Titel in die Suche der Seite - und schon eine ganze Liste: Suchergebnisse. Von der Timeline und der ÄK-Umfrage bis zum Treffer 472, aber das gesuchte Papier ist auch dabei: Das Team rund um den Hausarzt. Mühselig, dass bei den Dokumenten kein Erstell- oder Einstelldatum angezeigt wird.
Im Rahmen der Schulung haben wir auch über die Gesundheitsförderungsstrategie (beschlossen am 21. März 2014) gesprochen.

Wie ist das aber mit der Qualität der Ministeriumsseite im Allgemeinen?
Wir sind ja schließlich semiprofessionell geschulte Patienten und wissen sofort, bei welchen Seiten die Alarmglocken anschlagen sollten. Und da klingelts auch schon: Die Seiten des BMGF (www.bmgf.gv.at) tragen nicht mal ein Erstellungsdatum - selbst die Seiten, die ganz klar nur statischen Text beinhalten. Ab jetzt sollte man schon sehr vorsichtig sein, ist uns beigebracht worden, und man sollte große Skepsis walten lassen.

Ich lass es mal bleiben und wende mich einem anderen Gesprächsthema zu - der Patienten-Charta, der Grundlage der Rechte des Patienten. Und ich suche über die BMFG-Suche - allerdings recht erfolglos. Patienten-Charta oder Patientencharta führt zu keinem Erfolg. Aber es hilft die Suchmaschine der Wahl und führt zu gesundheit.gv.at - Patientencharta. Ganz unten auf der Seite gibt es einen Link zum Herunterladen der Patientencharta. Gestern gar nicht funktionierend, liefert er heute die Vereinbarung zwischen Bund und Burgenland vom Rechtsinformationssystem RIS. Rein aus Spaß mal auf RIS nach Patientencharta gesucht (weil es sollte dann ja eine für jedes Bundesland geben - unterscheiden sich diese??) - und kläglich gescheitert.

Doch schon dank Tante Google gefunden: Patientencharta Wien und Burgenland, ... sind bis auf Kleinigkeiten wie Datum des Inkrafttretens praktisch identisch.

Aber ich merk mir: für die Umsetzung der Punkte der Charta (Artikel 35) sind sowohl Bund als auch die Länder entsprechend der gerade gültigen Spielregeln (?) zuständig.

Zum Frustabbau was einfacheres, Grundsatzpapiere: Ich mache mich auf die Suche nach den Rahmengesundheitszielen, weil bei vielen Diskussionen auf sie als Grundgerüst von Aktivität hingewiesen wird.
Das Ministerium hat sich offenbar eine eigene Webseite www.gesundheitsziele-oesterreich.at für dieses Thema geleistet, wo auf der Startseite allerlei Politkergesichter durchs Bild huschen. Und wie beinahe nicht anders zu erwarten - auch auf diesen Seiten kein Erstellungsdatum.
Beim Überfliegen der Seite finde ich nicht viel Konkretes. Aktuelle Meldungen über veranstaltete Workshops und die dabei gestartete Arbeitsgruppe 4 sind augenscheinlich die einzigen herzeigbaren Aktionen. Die Arbeitsgruppe 4 ist übrigens immer noch anonym. Bei den Arbeitsgruppen finden sich dann doch weitere, schon länger zurückliegende Aktionsberichte. Von mehrmals jährlich organisierten Workshops, um sich auszutauschen und aktuelle Entwicklungen besprechen zu können, ist die Rede.
Nur so als Anmerkung: Bei manchen Gelegenheiten werden informelle Gesprächstreffen von Qualitäts-SH-Vertretern auch als nicht förderwürdige Kaffeekränzchen bezeichnet.

Eine nähere Ausführung zu den Rahmengesundheitszielen findet sich hingegen bei den Gesundheitszielen auf gesundheit.gv.at, zusammen mit dem Hinweis, dass die Länder an eigenen Gesundheitszielen arbeiten.
Die Links zu näheren Informationen zu den Gesundheitsinformationen der Länder waren heute (2016-11-27) aber tot (im Screen Shot gelb unterlegt). Ebenso verendete Links finden sich zahlreich beim Qualitätssystem für das Gesundheitswesen.

Schaut so Professionalität aus?
Kann man sich mit einem Problem an unser Gesundheitssystem wenden, ohne dass man die "Spielregeln" auch als Patient genau kennt? Ein professionelles System sollte das ermöglichen.

Kleine Spirometrie in die Vorsorge

Jede Forderung nach einer Änderung im medizinischen Vorgehen - wie die Forderung, die kleine Spirometrie im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen anzubieten - benötigt neben einer fachlich-medizinischen Begründung auch mehrere Schlüssel-Eigenschaften (mit Hinweis auf die entsprechenden Papiere), welche die Platzierung dieser Maßnahme innerhalb der aktuellen Gesundheits-Gesetzgebung erlaubt.

Was sind diese Schlüsselphrasen, die unbedingt erfüllt werden müssen?

  1. Auf der Seite Qualitätsentwicklung im österreichischen Gesundheitswesen findet sich u.a. das Gesundheitsreformgesetz 2013, das Stärkung von evidenzbasierter Früherkennung und Frühintervention als ein Hauptvorhaben anführt.
  2. Auf der Seite Gesundheitsförderungsstrategie gibt es das gleichlautende Papier, daraus von Seite 6: Zentrales Ziel der Gesundheitsförderungsstrategie ist es, einen Beitrag für ein längeres, selbstbestimmtes Leben bei guter Gesundheit für alle Menschen in Österreich zu leisten.
  3. Auch ganz wichtig: die Rahmengesundheitsziele. Welche (hoffentlich mehrere) Ziele werden durch die Vorsorge bedient?
  4. Eventuell läßt sich mit Vergleichen argumentieren, dass die Vorsorgeuntersuchung die Anzahl der Spitalsaufnahmen (die mit Abstand höchsten in der OECD, Broschüre zum Gesundheitswesen, Seite 9) wahrscheinlich reduzieren würde.
  5. Für Vorsorge zur IPF-Erkennung alleine darf man eher nicht plädieren - dafür gibt es ein aktuelles Expertenstatement, dass das ein ineffizientes Verfahren wäre.
  6. Ein Verweis auf einige Punkte der Patientencharta ist vielleicht auch nicht schlecht (Stand der medizinischen Wissenschaft kommt darin oft vor).

(Letzte Änderung: 2016-12-15)
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