


Kindersarkoidose
- Einleitung
- Sarkoidose - Häufigkeit und Diagnose
- Geschichte: Blau Syndrom und Frühkindliche Sarkoidose
- Sarkoidose bei Jugendlichen - juvenile Sarkoidose
- Diagnose und Betreuung
- Literatur
Einleitung
Sarkoidose ist eine bei Jugendlichen ungewöhnliche Systemerkrankung, schreibt Jürgen Brunner von der Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde der Medizinischen Universität Innsbruck über Sarkoidose im Kindes- und Jugendalter [1] und führt dabei aus:
Die in der Betreuung von Pädiatrischen Rheumatologen befindlichen Kinder und Jugendlichen mit Sarkoidose sollen im Rahmen der Kerndokumentation beim Deutschen Rheumaforschungszentrum in Berlin anonymisiert erfasst werden.
Gemessen an der Inzidenz der Sarkoidose dürften die Zahlen eher dafür sprechen, dass die Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen im deutschsprachigen Raum unterdiagnostiziert wird.
Den ganzen Text gibt es hier:

Unterdiagnostiziert ist dabei ein sehr kalmierender Begriff. Betroffene sind wegen ihrer Beschwerden bestimmt irgendwo in Behandlung, haben aber eine falsche Diagnose und werden deshalb mit großer Sicherheit suboptimal (oder einfach: falsch) behandelt.
Sarkoidose - Häufigkeit und Diagnose
Sarkoidose tritt bei Erwachsenen Personen in unserer Gegend mit einer Prävalenz von etwa 1:2500 und einer Lebensprävalenz (also der Chance, irgendwann in seinem Leben einmal an Sarkoidose erkrankt zu sein) von etwa 1:800 auf [2]. Die Diagnose der Sarkoidose ist eine Ausschlussdiagnose und basiert auf drei Säulen:
- einem kompatiblen klinischen Erscheinungsbild
- dem Ausschluss aller infrage kommenden Differentialdiagnosen
- dem Nachweis nichtverkäsender Granulome (nicht notwendig/angeraten bei akuter Sarkoidose [ATS-Leitlinie 2020])
Sarkoidose ist aus Ärztesicht eine relativ gutmütige Erkrankung, zumindest bei Erwachsenen: nur rund jeder zweite Betroffene benötigt Therapie und nur rund 1/3 der Betroffenen zeigt einen Krankheitsverlauf von länger als 5 Jahren.
Über Betroffene im Vor-Erwachsenenalter (juvenile Sarkoidose) weiß man weit weniger. Im Wesentlichen, dass Sarkoidose in der Jugend selten ist. Darüber hinaus gibt es eine Menge Begriffe wie Blau Syndrom, Early Onset Sarcoidosis, frühkindliche Sarkoidose, Sarkoidose im Kindes- und Jugendalter und mehr zu Sarkoidose in jungen Lebensjahren, die zumindest bei mir lange für Verwirrung gesorgt haben.
Aber es gibt Publikationen - z.B. aus dem dänischen Patientenregister [3, 4, 5], welche ein wenig Aufklärung bringen. Demnach gibt es große Gemeinsamkeiten von Präsentation und Verlauf der Sarkoidose bei Erwachsenen und in jüngeren Jahren. Für Erwachsene gibt es eine Menge Literatur und auch schon eine Diagnose-Leitline, also wäre damit beinahe eigentlich schon alles Wissensnotwendige gesagt ... aber die Tücke steckt in der Geschichte, in der Jugend und im Detail. Ich möchte mit der Geschichte beginnen.
Geschichte: Blau Syndrom und Frühkindliche Sarkoidose
1985 veröffentlichte Edward Blau seinen namensgebenden Artikel über Sarkoidosefälle, die mehrere Generationen innerhalb einer Familie betrafen [6, 7]. Darin schrieb er:
Die wichtigsten langfristigen Probleme sind Iritis und Gelenkkontrakturen.
Als typische Krankheitserscheinungen wurde wiederkehrende, granulomatöse Polyarthritis, Dermatitis, Uveitis und craniale Neuropathie beschrieben. Die Lungen waren nicht oder erst in Einzelfällen im späteren Verlauf der Erkrankung betroffen.
Parallel dazu entdeckte man sehr junge Patienten mit demselben Beschwerdebild und ebenfalls nichtverkäsenden Granulomen, aber ohne familiären Hintergrund: der Begriff der frühkindlichen Sarkoidose (early onset sarcoidosis, EOS) wurde etabliert.
Es dauerte rund 25 Jahre nach der Veröffentlichung von Edward Blau, bis Blau Syndrom (BS) und EOS mithilfe von
internationalen Registern als eine Erkrankung mit dem
selben genetischen Ursprung (vererbt im Fall BS, spontan mutiert im Fall von EOS) bestätigt werden konnten [8].
Selbst im letzten Jahrzehnt
setze sich die biblische Sprachverwirrung fort: während man mancherorts nach einem neuen, gemeinsamen Begriff für BS und EOS
suchte (juvenile systemische Granulomatose [9]),
wird mittlerweile vom europäischen Orphanet [10] Blau Syndrom als Sammelbegriff auch für EOS
verwendet. Amerikanische Publikationen wurschteln noch häufig mit den alten Begriffen weiter, als gäbe es kein Gestern.
Patienten mit Blau Syndrom (BS) präsentieren sich meist mit Exanthem (Hautausschlag), granulomatöser Arthritis (Gelenkentzündung) und Uveitis (Augenentzündung) [11]. Aufgrund der genetischen Ursache machen sich aufkommende Symptome bereits in den ersten Lebensmonaten und -jahren bemerkbar, der Verlauf ist chronisch und meist progressiv [12, 13].
Im Gegensatz zu Sarkoidose tritt bei Patienten mit Blau-Syndrom in der Regel keine Lungenbeteiligung auf, was von Geraint James mit einem seiner All that glitters is not sarcoidosis - Aussprüche unterstrichen wurde [14].
Sarkoidose bei Jugendlichen - juvenile Sarkoidose
In der Regel ist die Sarkoidose eine Erkrankung von Erwachsenen. Wie bei den meisten Regeln gibt es aber auch hier Ausnahmen. Selten tritt Sarkoidose schon im Teenageralter auf, äußerst selten auch schon in den ersten Lebensjahren [15].
Bereits vor 40 Jahren wurde über Gruppen von betroffenen Kindern und Jugendlichen berichtet. Die häufigsten Beschwerden waren Allgemeinsymptome (Fieber, Krankheitsgefühl, Gewichtsverlust), Atemprobleme (Husten, Brustschmerzen, Keuchen) und Probleme mit den Augen (Sehverlust, Lichtempfindlichkeit, Schmerzen) [16]. Vielleicht aufgrund der kleinen Gruppengrößen und der Patientenselektion ist die generelle Prognose im Vergleich zu Erwachsenen manchmal vorteilhaft ausgefallen, manchmal nicht - aktuell scheint sie aber sehr ähnlich zu sein [17].
Diagnose und Betreuung
Sarkoidose, Blau Syndrom und die wichtigste Differentialdiagnose juvenile idiopathische Arthritis aus dem rheumatologischen Bereich präsentieren sich anfangs nicht nur zum Verwechseln ähnlich, sie werden auch großteils mit den selben Basismedikamenten behandelt und es macht mehr als Sinn, diese jungen Patienten an einer Stelle zu betreuen.
So wie auch bei Erwachsenen ist das klinische Erscheinungsbild und der Verlauf sehr unterschiedlich - manchmal sind die Beschwerden kaum behindernd, in anderen Fällen jedoch stark einschränkend.
Die Betreuung von Kindern unterscheidet sich jedoch in etlichen Facetten grundlegend von der Betreuung von Erwachsenen.
- Kinder sind keine kleineren Ausgaben von Erwachsenen. Ihr im Aufbau befindlicher Körper reagiert nicht selten anders auf Medikamente, deren Wirkungs- und Nebenwirkungsstudien und -erfahrungen es zum allergrößten Teil nur für Erwachsene gibt.
- Kinder haben noch ein ganzes Leben vor sich, was eine entsprechend gewichtete Bewertung von Wirkungen- und Nebenwirkungen erfordert.
- Kinder haben noch ein ganzes Leben vor sich und es ist essenziell, Veränderungen in der Befindlichkeit schon zu erkennen und gegenzusteuern, bevor noch unübersehbare und vielleicht schon irreversible Schäden aufgetreten sind.
Naheliegend und durch viele Studien belegt ist, dass die therapeutischen Ergebnisse bei Kindern mit seltenen, komplexen und diagnostisch oder therapeutisch aufwendigen Erkrankungen in spezialisierten Einrichtungen mit größeren Patientenzahlen bei Weitem besser sind als in Einrichtungen mit generalisiertem Versorgungsauftrag und weniger spezifischer Erfahrung [18].
Blau-Syndrom und Sarkoidose sind systemische Erkrankungen, für die eine multidisziplinäre Zusammenarbeit unabdingbar ist. Eine Möglichkeit, die Fallzahl für den Erfahrungsaufbau und die Qualitätssicherung in der Patientenversorgung am eigenen Standort zu erhöhen, ist die Teilnahme der Klinik an einem medizinischen Register.
Jugendliche Patienten, die an Kliniken betreut werden, welche am Netzwerk der
Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie (GKJR) beteiligt sind, werden seit 1997 in deren
Kerndokumentation
in Berlin erfasst - hier zum Beispiel der
Erfassungsbogen für Sarkoidose.
Die meisten Patientendaten werden dabei von großen Zentren eingepflegt, die in der
Versorgungslandkarte mit der Auszeichnung "+200" gekennzeichnet sind.
Diese Zentren sind rar und oft weit entfernt. Engagierte Kinderärzte in diesen Zentren sind in den allermeisten Fällen gern dazu bereit, Patienten und ihren lokalen Ärzten mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Diese Bereitschaft sollte zum Wohle der Patienten auch selbstverständlich genutzt werden.
Literatur
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(Überschrift der Seite ist irreführend, aber passiert eben bei automatischen Übersetzungen.)
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[16]


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Weitere Literatur
[A1]


Aus der JCM-Sonderausgabe Management of Sarcoidosis: Challenges and Solutions
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[A3]



[A4]


[A5]


[A6]


[A7]


Noch mehr Literatur
- [B1]
Distinguishing Blau Syndrome from Systemic Sarcoidosis (Current Allergy and Asthma Reports, 2021-02-09)
- [B2]
Blau Syndrom (Wikipedia, 2020)
- [B3]
Blau Syndrom (doccheck, 2018)
- [B4]
Sarkoidose (netdoktor, 2018)
- [B5]
Blau-Syndrom (Uni Tübingen, Autoinflammation Reference Center, 2016)
- [B6]
Enken Gundlach: Okuläre Sarkoidose (Augenspiegel, 2013)
- [B7]
Girish Sharma: Pediatric Sarcoidosis (MedScape, 2012)
- [B8]
Seltene rheumatische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter (Rheuma-Liga, 2011)
- [B9]
Flyer Kindersarkoidose (DSV, 2009)
- [B10]
Pediatric sarcoidosis with diagnostic and therapeutical insights (Abstract), (Curr Opin Pulm Med, 2021)
Treatment ... should be implemented in union with a rheumatologist. - [B11]
Vortrag Sarcoidosis and Children von Nadia Nathan bei Sarcoidosis UK. (2021-09-08)