Selbsteinschätzung & Bedürfnisse Wiener Rathaus 2015



Angespornt von der ONGKG-Konferenz vor einigen Tagen habe ich mich aufgerafft und einige Selbsthilfegruppen am Tag der Selbsthilfe zu ihrer Selbsteinschätzung und ihrer Bewertung der Zusammenarbeit mit Gesundheitsdienstleistern befragt. Dem Veranstaltungsort entsprechend sind die Ergebnisse wahrscheinlich eher Wien-spezifisch, obwohl die meisten befragten Gruppen in mehreren Bundesländern aktiv sind. Was aber natürlich nicht heißt, dass die Ergebnisse nicht auch auf andere Bundesländer zutreffen können.

Die Fragestellungen zielten auf eine Bewertung von Bedarf und Istzustand von Kooperationen der jeweiligen Gruppe mit medizinischen Einrichtungen aus dem muralen und dem niedergelassenem Bereich ab und sollten letztendlich die Frage nach einem Verbesserungsbedarf beantworten.
Aufgrund meiner eigenen Situation und der beschränkten Zeit habe ich nur SH-Gruppen oder SH-Organisationen (vereinfacht im weiteren auch SHG) mit dem Hintergrund einer seltenen Krankheit befragt. Die Selektion der Gruppen ergab sich einfach durch die räumliche Nähe und die freie Verfügbarkeit einer Ansprechperson, war also eher zufällig.

Dies war meine erste "Befragung" und ich habe eine Menge gelernt, was ich beim nächsten Mal viiiel besser machen könnte - aber das ist ein anderes Thema. Insgesamt habe ich acht Gruppen befragen können, ich hab mich einfach verzettelt. 'Meine' SHG ist natürlich nicht mit dabei, damit nicht noch mehr persönlicher Bias entsteht.

Ergebnisse

  1. Rechtsform, Bestandsdauer
    5/8 der Gruppen traten als Verein auf, wobei die Korrelation mit der Bestandsdauer nicht sehr stark war.
  2. Medizinische oder soziale Themenstellung
    Diese Frage zielte auf den hauptsächlichen Problem-Interessensbereich, welcher der Existenz der SHG zugrunde liegt.
    7/8 der Gruppen gaben eine vorzugsweise medizinische Themenstellung als ihr Hauptanliegen an; bei einer Gruppe wurden medizinische und soziale Belange als gleich wichtig formuliert.
  3. Mitgliederzahl
    Die Anzahl der erreichten Mitglieder reichte von 24 bis 300.
  4. Mitglieder, die an der Gruppenorganisation persönlich aktiv teilnehmen
    2 bis 7 (hier hatte ich meine Frage nicht klar definiert: an Gruppentreffen phys teilnehmen vs. aktiv beitragen)
  5. Hauptsächlich aktive Personen
    Vier Gruppen mit 1, drei mit 2 und eine Gruppe mit 4 Hauptaktiven (11112224).
  6. Bundesweite Tätigkeit
    6/8 Gruppen waren in 4 oder mehr Bundesländern tätig.
  7. Gründe für die Existenz der SHG
    7/8 Infodefizit bei Ärzten und Gesundheitsberufen zur konkreten Krankheit,
    Unterstützung in therapeutischen, sozialen und organisatorischen Belangen,
    fehlende Mindestversorgung (medizinisch und ökonomisch).
  8. Problembereiche
    Glücksspiel Gutachter, der die Krankheit nicht kennt,
    nur Wahlärzte im extramuralen Bereich verfügbar.
    Generell wurde das Verhältniss zu Kassen aber als gut bewertet.


Die nachfolgenden Fragen verlangten nach einer Bewertung zwischen 1 (nicht wichtig) bis 5 (sehr wichtig). Inkonsistenter Weise habe ich im Lauf der Zeit 0 als irrelevant/nicht existent notiert.
Manche Fragen konnten auch trotz Nachfragen nicht eindeutig beantwortet werden. Ich hab an der Stelle, an der ich die Antwort am ehesten einordnen würde, jeweils ein Fragezeichen platziert.

Gegenstand / Motiv Bewertungen
1 Austausch im Gespräch (vulgo Sesselkreis) 01334555
2 Informationsvermittlung 35555555
3 Medizinische/ärztliche Kontakte mural notwendig 45555555
4 - " - vorhanden 33455555
5 Aktiver Aufwand für diese Kontakte ?1223455
6 Muraler Kontakt über SHG-Beauftragten 00000004
7 Erfahrungsaustausch SHG-KH 00003??5
8 Kontakt zu KH (0=pers. Einzelkontak, 1=systemisch) 0000000?
9 Kooperationsstufe 0-6 lt. Forster/Rojatz, auch bei nur teilweiser Erfüllung 12223333
10 Medizinische/ärztliche Kontakte extramural vorhanden 00000033
11 Anz. FA-Richtungen notwendig (9 für 9 oder mehr) 12347999
12 Wichtigkeit von ärztl. Vernetzung 01555555
13 Ärztl. Vernetzung Ist 00013345
Fragen betreffen NAP.se
14 Patienteninfo notwendig 34455555
15 Patienteninfo - bereits Erfahrung damit 00000255
16 Notfallinfo notwendig 00034455
17 Notfallinfo - bereits Erfahrung damit 00000000

Interpretation

Nachdem ich bei der Fragestellung etwas geschlampt habe, sind manche Bewertungen nicht ohne Zusatzinformation einsichtig. Einige Fragen wurden aber ziemlich eindeutig mehrheitlich ähnlich beantwortet.

ad 2.
Die Informationsvermittlung hat bei allen Gruppen sowohl in Richtung Gesundheitsdienstleister als auch meist in Richtung Allgemeinbevölkerung großen Stellenwert (was auf entsprechenden Leidensdruck schließen läßt).

ad 3.
Zumindest die Interessensvertreter der von seltenen Krankheiten Betroffenen betrachten Versorgung in Spitälern als essentiell.

ad 6.
Der Kontakt ins Krankenhaus kam/kommt praktisch nie über den deklarierten SH-Beauftragten zustande (auch wegen kein SH-Beauftragter im Wiener AKH).

ad 8.
Der Kontakt ins Krankenhaus ist der Kontakt zu einer Einzelperson und kein systemischer Zugang zu einer Abteilung.

ad 10.
Medizinische Kontakte in den niedergelassen Bereich gibt es kaum. Und wenn, dann nur bei einer kleinen Anzahl benötigter Fachrichtungen.

ad 12.
Ärztliche Vernetzung ist überaus wichtig, sofern mehrere Facharztrichtungen benötigt werden.

Selektierte Einzelmeinungen oder erfahrene Realität?

Obige Interpretation zeigt recht klar, dass es in Wien wenig organisierte Zusammenarbeit zwischen SHGs von Seltenen und Krankenhäusern gibt. Aber trifft das nur auf die Seltenen zu? Oder ist obige Interpretation eine starke Verzerrung? Wie wird das Verhältnis aus der Krankenhausperspektive wahrgenommen?

Claudia Kudrna erzählte 2014 in ihrem Vortrag Praxisbeispiel aus dem Wilhelminenspital Wien anläßlich der ONGKG-Konferenz 2014 zum Thema Selbsthilfefreundlichkeit über "Selbsthilfegruppen greifbar im Spital" (PIK - seit 2005-2010 im Regelbetrieb).
Sie fragte: "Was ist geblieben?"
Ihre Antwort bitte selber nachlesen.
Jedenfalls wird ihre Einschätzung durch obige Befragung eindrucksvoll bestätigt, was wohl andererseits auch heißt, dass die Interpretation obiger Befragung als durchaus repräsentativ betrachtet werden kann.


Was tun wir, damit unsere Situation besser wird?
Nur darüber reden ist zuwenig.

2016-01-24: Extended list with items 14 - 17.
(Last change: 2016-01-24)